Neue Methode zur Identifikation verschiedener Myonentypen in der Erdatmosphäre
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Wir freuen uns bekannt geben zu dürfen, dass unsere Lehrstuhlsmitglieder Pascal Gutjahr und Prof. Wolfgang Rhode gemeinsam mit unseren ehemaligen Lehrstuhlsmitgliedern Ludwig Neste, Dr. Mirco Hünnefeld und Dr. Jean-Marco Alameddine und anderen Wissenschaftler:innen kürzlich die Arbeit „Prompt and conventional high-energy muon spectra from a full Monte Carlo simulation via CORSIKA7“ veröffentlicht haben. Darin wird ein neuer Ansatz zur Klassifikation von Myonen vorgestellt, die in der Erdatmosphäre durch den Zerfall unterschiedlicher Teilchen entstehen.
Myonen können in der Erdatmosphäre während eines ausgedehnten Luftschauer (Extensive Air Shower) produziert werden, welcher entsteht, wenn ein hochenergetisches kosmisches Teilchen in die Atmosphäre eindringt. Dieses Primärteilchen wechselwirkt mit den Molekülen der Atmosphäre und erzeugt dabei eine Vielzahl von Sekundärteilchen, unter denen sich auch Myonen befinden können.
Diese Myonen werden in konventionelle und prompte Myonen unterteilt. Die Unterscheidung basiert auf dem Mutterteilchen, in dessen Zerfall das Myon erzeugt wird. Konventionelle Myonen stammen aus den Zerfällen von geladenen Pionen und Kaonen. Aufgrund ihrer vergleichsweise langen Lebensdauer können sie vor ihrem Zerfall mit der Atmosphäre wechselwirken. Prompte Myonen hingegen entstehen beim Zerfall anderer, kurzlebiger Teilchen und werden als „prompt“ bezeichnet, da sie extrem kurze Lebensdauern haben und in der Regel zerfallen, bevor sie mit der Atmosphäre wechselwirken. Unterhalb von etwa 1 PeV dominieren die konventionellen Myonen, während oberhalb von etwa 1 PeV die prompten Myonen überwiegen.
Um diese Prozesse zu untersuchen, werden Monte-Carlo-Simulationen eingesetzt. Das Standardwerkzeug für die Simulation ausgedehnter Luftschauer in der Astroteilchenphysik ist CORSIKA7, welches die Ausbreitung, Wechselwirkungen und Zerfälle von Teilchen in der Atmosphäre modelliert. Neu entwickelt wurde das Python-Paket PANAMA, das eine parallele Ausführung von CORSIKA7 ermöglicht und die Ergebnisse in benutzerfreundliche Pandas-Dataframes überführt. Damit wird die Klassifikation von prompten Teilchen deutlich erleichtert.
In der genannten Studie wurden rund 60 Millionen Luftschauer mit Energien zwischen 100 TeV und 100 PeV simuliert. Die Myonen aus diesen Schauern wurden mithilfe von PANAMA als prompt oder konventionell getaggt. Für beide Myonentypen wurden anschließend die räumlichen und energetischen Verteilungen untersucht , darunter die laterale Ausbreitung der Myonen in einem Schauer sowie der Anteil der Primärenergie, den die Myonen tragen. Zur Validierung wurden die Resultate mit Berechnungen aus MCEq (Matrix Cascade Equation) verglichen, einem numerischen Werkzeug zur Bestimmung des Myonenflusses an der Erdoberfläche. Die gute Übereinstimmung bestätigte, dass die Klassifikation in CORSIKA7 zuverlässig zur Untersuchung von Myonenflüssen und zur Unterscheidung zwischen prompten und konventionellen Myonen genutzt werden kann.
Für die Modellierung der hadronischen Wechselwirkungen in Luftschauern werden hadronische Wechselwirkungsmodelle genutzt. Deren stetige Verbesserung ist wichtig, da in der Astroteilchenphysik weiterhin ungelöste Fragen bestehen, wie das sogenannte „Muon Puzzle“. Dieses bezeichnet die Beobachtung, dass sowohl bodengebundene als auch unterirdische Experimente einen deutlich höheren atmosphärischen Myonenfluss messen, als von theoretischen Modellen vorhergesagt wird. Tests dieser Modelle an Teilchenbeschleunigern sind schwierig, da kosmische Strahlung Energien erreicht, die in Beschleunigern nicht zugänglich sind, und zudem stark vorwärtsgerichtet produziert wird, sodass sie in einem Teilchenbeschleuniger nicht detektiert werden kann. Daher sind astrophysikalische Beobachtungen notwendig. Das neue Werkzeug PANAMA bietet eine Möglichkeit, hadronische Wechselwirkungsmodelle weiter zu testen und zu verbessern, und kann hoffentlich dazu beitragen, offene Fragen wie das Muon Puzzle zu lösen.