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Fakultät Physik
Philosophie der Astroteilchenphysik

Daten, Theorien und wissenschaftliche Erklärung:
Das Beispiel der Astroteilchenphysik

In interdisziplinärer Kooperation zwischen Philosophie und Physik untersuchen wir die Methoden und Erklärungsleistungen der Astroteilchenphysik (ATP) als Beispiel der aktuellen wissenschaftlichen Praxis. Mit Schwerpunkt auf Methoden der Computer-Simulation und des maschinellen Lernens behandeln wir erkenntnistheoretische Fragen der Datenanalyse sowie der probabilistischen und kausal-mechanistischen Erklärung in der ATP.

Die ATP schlägt die Brücke zwischen Astrophysik, Kosmologie und Teilchenphysik. Sie registriert die kosmische Strahlung mit Systemen von Teilchendetektoren, die als Teleskope zur Messung subatomarer Teilchen extraterrestrischen Ursprungs fungieren. Ziel der ATP ist, die Herkunft dieser Strahlung zu bestimmen und ihre physikalischen Eigenschaften zu erklären – ihre hohe Energie und die Mechanismen ihrer Entstehung und Beschleunigung. Die physikalische Erklärung stützt sich auf astrophysikalische Modelle der Strahlungsquellen (Supernovae, aktive galaktische Kerne etc.), kernphysikalische Modelle der Teilchenemission und Plasmaphysik etc. zur Erklärung der Beschleunigung der emittierten geladenen Teilchen. Aus den Primärteilchen entstehen Sekundärteilchen wie Neutrinos, die ohne Streuung durch interstellares Gas oder Ablenkung durch intergalaktische Magnetfelder zur Erde gelangen; ihre Produktion und Messung ist Gegenstand der Teilchenphysik. Die ATP vermittelt so zwischen den Daten und mehreren physikalischen Theorien, die den disparaten Standardmodellen der Teilchenphysik und der Kosmologie zugrunde liegen.

In der ATP bündeln sich viele Probleme, die heute die Wissenschaften auszeichnen und aktuell in der Wissenschaftsphilosophie diskutiert werden: der Einfluss von Computer-Simulationen und maschinellem Lernen auf die Daten; die Intransparenz des maschinellen Lernens und ihre epistemische Signifikanz; inkohärente Grundlagen der Modellbildung; probabilistische und kausal-mechanistische Erklärungen; der induktive Schluss von den Phänomenen auf ihre Ursachen. Im Projekt analysieren wir die Datenanalyse der ATP einschließlich der Rolle von Computer-Simulationen und maschinellem Lernen im Hinblick auf ihren probabilistischen Charakter und die epistemische Signifikanz ihrer Intransparenz, um sie mit den entsprechenden Methoden der Teilchenphysik sowie der Radioastronomie zu vergleichen. Im Zentrum steht dabei der innovative probabilistische Charakter der Methoden des maschinellen Lernens, die man aktuell in der ATP zur Datenanalyse einsetzt. Außerdem untersuchen wir das heuristische Konzept der Botenteilchen (das zentral für die kausal-mechanistischen Erklärungen der ATP ist), um es im Kontext neuerer Messergebnisse zu diskutieren. Das Projekt wird auch neues Licht auf die philosophische Frage werfen, inwieweit physikalische Theorien und theorieabhängige Daten realistisch gedeutet werden dürfen.

Workshop "From Raw Data to Measurement Results – Epistemological Problems in Data Analysis"

In diesem Workshop wollen wir die erkenntnistheoretischen Fragen zu Messung,  Datenanalyse und Computersimulationen in der gegenwärtigen Physik interdisziplinär diskutieren. Der Workshop wird am 13. und 14. November 2025 im Lamarr-Institut an der Technischen Universität Dortmund stattfinden. Informationen zum Workshop finden Sie unter: https://events.lamarr-institute.org/event/244/

Projektbeteiligte

  • Prof. Dr. Dr. Brigitte Falkenburg
  • Dr. Dominik Martin Elsässer
  • Dr. Johannes Mierau
  • Prof. Dr. Dr. Wolfgang Rhode

Förderung: Deutsche Forschungsgesellschaft (DFG)